Katja Drechsler, Stade im Mai 2017


Was bedeutet Ramadan…?
Am Samstag, 27.5.2017 beginnt dieses Jahr der Ramadan, der muslimische Fastenmonat. Es gibt schon viele gute Texte auf Deutsch, die erklären, wie und warum Muslime fasten1. Ich möchte dies nicht wiederholen oder zusammenfassen, sondern das Thema aus einer etwas anderen Perspektive betrachten. Gänzlich unrepräsentativ habe ich hier die Stimmen einiger Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft eingefangen, die seit einiger Zeit erst im Landkreis Stade leben. Ich habe sie gefragt: „Was bedeutet dir persönlich Ramadan, und was findest du für dich in diesem Monat am Wichtigsten?“ Herausgekommen ist ein schönes Bild unterschiedlicher Perspektiven verschiedener Menschen. Für mich zeigen die Antworten die Liebe, mit der dieser ja nicht einfachen religiösen Aufgabe begegnet wird, und damit den schönen Werten und Normen dieser Religion. Gerade vor dem Hintergrund, dass alle diese Menschen ihre Heimat und meistens auch ihre Familie unfreiwillig zurücklassen mussten, schwingt aber auch Schmerz und Traurigkeit mit: das so essentielle gemeinsame Erleben des Ramadan mit Familie und Verwandten und die dazugehörige spezielle Atmosphäre bleibt den Geflüchteten in großem Maße versagt. Der Monat erinnert aber an die Heimat und die Lieben von denen man getrennt ist. Er symbolisiert auch eine Zugehörigkeit oder Identität, die gelebt werden möchte, hier aber (noch?) nicht gefühlt werden kann. Der Schul- und Arbeitsalltag wird in muslimischen Ländern dem Ramadanrhythmus in Teilen angepasst. Dies ist in Deutschland anders. Das erfordert eine Umstellung und möglicherweise sogar ein Überdenken und neues Aushandeln religiöser Regeln und Normen, gerade angesichts der sommerlich langen Tage und damit Fastenzeiten. Es gibt hier verschiedene Überlegungen und Rechtsempfehlungen, wie z.B. die Fastenzeit der von Mekka anzugleichen. Diese Themen sind heiß diskutiert, und wichtig zu wissen ist, dass es im Islam keine religiöse Instanz wie die Kirche gibt, die weisungsbefugt wäre. Muslimminnen und Muslime sind angehalten, Lehrmeinungen im Einklang mit dem eigenen Gewissen zu folgen, da nach muslimischer Vorstellung jeder Mensch individuell vor Gott Verantwortung trägt. Dementsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten, den Ramadan zu gestalten. Nun aber zur Bedeutung des Ramadans aus Sicht einiger neuer Mitbürgerinnen und –bürger2.
- „Ramadan ist der Monat des Fastens und des guten Benehmens. Das Wichtigste für mich im Ramadan ist das abendliche Fastenbrechen im Kreis der Familie.“
- „Der erste Tag, wenn wir das Sahoor (tägliche Mahlzeit bevor das Fasten beginnt) zu uns nehmen, ist besonders schön. Meistens trinken wir Joghurt und essen Datteln, damit wir
1 Nachlesen können Sie dies z.B. im Internet ausführlich unter http://www.islam.de/3550.php (25 Fragen und Antworten zum Ramadan), oder gut zusammengefasst unter http://www.wasglaubstdudenn.de/spuren/faq/142339/warum-fasten-muslime-im-ramadan (24.5.2017). Eine Kindergeschichte zum Thema: http://gruenebanane.de/2017/05/18/ramadan-geschichte/. Und ein Beitrag, der das Spannungsfeld aufzeigt, in dem sich Muslime in Deutschland während des Ramadans bewegen: https://de.qantara.de/inhalt/fasten-waehrend-des-ramadans-zuviel-des-guten. Hier gibt es auch links zu weiteren einschlägigen Artikeln. Kleines Filmchen zum Ramadan von Firas al-Shater: https://www.youtube.com/watch?v=OzB7OgCXb6I.
2 Ich habe die Antworten aus dem Englischen und Arabischen übersetzt und hoffe, dass ich allen gerecht geworden bin und es adäquat auf Deutsch ausdrücken konnte. Mein Ziel war es, die Gedanken auf Deutsch nachvollziehbar zu machen, weshalb ich nicht immer wortwörtlich übersetzt habe. Vielen Dank an alle, die bereit waren, mir etwas zu „ihrem Ramadan“ zu erzählen.

nicht durstig werden über den Tag. Zum Fastenbrechen gibt es bei uns nur ganz leichte Speisen, und danach besuchen wir Freunde und Verwandte.“
- „Ramadan lehrt uns Demut und Bescheidenheit. Er packt sozusagen alle menschlichen Schwächen und Begrenzungen auf den Tisch. Wie z.B. eine Zigarette das einzige ist, was du dir an einem hektischen Tag wünschst. Oder dass du sterben würdest für eine einzige Tasse Wasser an einem heißen Tag. Im Großen und Ganzen geht es darum, diese Begrenzungen zu überwinden, sich zu befreien. Aber egal, wie viele Begrenzungen wir überwinden und hinter uns lassen- es gibt immer neue, oder wir machen uns neue. Es ist ein Kreislauf… kurz: Ramadan lehrt uns, dass wir nur Menschen sind.“
- „Der Monat Ramadan ist ein Geschenk Gottes an seine Diener, denn er bietet die Möglichkeit, die Fehler des letzten Jahres wieder gutzumachen, und die Hoffnung auf das Paradies. In diesem Monat vergeben sich die Menschen gegenseitig. Sie machen Pause von den irdischen Begehrlichkeiten und denken über alles nach. In diesem Monat fühlt der Reiche die Lebensbedingungen des Armen nach, der manchmal tagelang nichts zu essen hat. Wir danken Gott für unser Wohlergehen und empfinden stärkeres Mitgefühl mit anderen. Ich könnte noch lange weiterschreiben. Für mich ist es der schönste Monat im Jahr; ich spüre einen Segen, der in den anderen Monaten nicht vorhanden ist.“
- „Der Ramadan ist das Zusammenkommen mit der Familie. Wir kommen Gott näher. Wir fühlen uns den Armen und Bedürftigen näher, und die Menschen fühlen sich allgemein verbundener. Wir reinigen unsere Seelen von dem Schlechten und dem Übel.“
- „Der Ramadan lehrt uns Geduld in allen Angelegenheiten des Lebens. Die zwei wichtigsten Dinge sind für mich das Zusammensein mit der Familie und die Rituale: die Religion, das Zusammenkommen mit der Familie, bestimmte Gerichte, die nur im Ramadan zubereitet werden, Besuche bei den Verwandten.“
- „Der Ramadan ist schön, wenn auch schwer. Die Atmosphäre im Ramadan damals in Syrien war immer wunderschön, mit dem Fest und der Freude am Ende. Das wichtigste für mich im Ramadan ist es, Gott näher zu kommen. In diesem Monat vergibt Gott vielen Menschen. Das Fasten und Beten im Ramadan ist als wenn es alle Sünden von dir nimmt. Du fühlst dich Gott näher.“
- „Abgesehen davon, dass der Ramadan eine religiöse Pflicht für jeden einzelnen ist, bedeutet er für mich das Einüben von Geduld: einen Monat lang gedulde ich mich mit dem Essen und Trinken und den Vergnügungen des Lebens. Das Leben wird dadurch einfacher, und man kann den Herausforderungen des Lebens gelassener begegnen.“
- „Es gibt viele Dinge, die uns im Ramadan viel bedeuten und die wir als schön empfinden. Von religiöser Seite: Ein Monat des Gottesdienstes, des Hinwendens zu Gott, mit besonderen Segnungen, z.B. der Nacht der Bestimmung (lailat al-qadr). Von gesellschaftlicher Seite: Das Beisammensein der Familie zu bestimmten Essenszeiten, eine segensreiche Atmosphäre im Haus, das Üben von Geduld und Mitgefühl mit den Armen. Von gesundheitlicher Seite: Das Fasten führt zur Entspannung des Verdauungsapparates und zur Ausscheidung der über das Jahr angesammelten Giftstoffe.“